Präzisionsonkologie

Der Begriff Präzisionsonkologie beschreibt die möglichst umfassende genetische Charakterisierung einer Tumorerkrankung eines einzelnen Patienten. Diese genetische Charakterisierung wird durch die Entwicklung neuer Diagnostikverfahren wie dem Next-Generation-Sequencing (NGS) möglich gemacht und bietet bei bestimmten Indikationen die Option für eine individuellere, und somit häufig auch effizientere und nebenwirkungsärmere Behandlung.

Zielgerichtete Therapie

Die Therapie einer Krebserkrankung basiert heute in vielen Fällen nicht mehr nur auf dem anatomischen Entstehungsort und dem histologischen Subtyp eines Tumors, sondern zunehmend auch auf dessen patientenindividuellen molekularen Eigenschaften. Präzisionsonkologie bedeutet, dass eine maßgeschneiderte Therapie für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit gefunden wird. Diese umfasst Behandlungsansätze, die direkt oder indirekt funktionell relevante tumorspezifische Zielmoleküle oder Signalwege beeinflussen und auf diese Weise Krebszellen am Wachstum hindern. Der klinische Einsatz solcher zielgerichteten Wirkstoffe im Rahmen einer personalisierten Tumortherapie erfolgt nach Ausschöpfung der zugelassenen Behandlungsoptionen meist im Rahmen einer klinischen Studie oder als individueller Heilversuch („off-label“).

Molekulares Tumorboard

Welcher Therapieansatz unter Berücksichtigung der molekulargenetischen Daten, der bisherigen Behandlungen sowie der klinischen Gesamtsituation für den jeweiligen Patienten am erfolgversprechendsten ist, wird anschließend von einem interdisziplinären Expertenteam diskutiert. Das Tumorzentrum Heilbronn-Franken ist Gründungsmitglied im Zweckverband Personalisierte Medizin (ZvPM), einem überregionalen Expertennetzwerk, das seit 2020 die Expertise im Bereich der Präzisionsonkologie von 8 Kliniken in Baden-Württemberg bündelt. Innerhalb des ZvPM werden in einem wöchentlich stattfindenden virtuellen Molekularen Tumorboard (MTB) gemeinsam mit externen Kooperationspartnern die komplexen molekulargenetischen und -pathologischen Daten unserer Krebspatienten standortübergreifend besprochen. Auf diese Weise wird eine Behandlung nach dem neuesten Wissensstand ermöglicht.
 

Indikationen

Eine molekulargenetische Diagnostik und anschließende Vorstellung im Molekularen Tumorboard ist aktuell vor allem indiziert für Patienten mit 

  • fortgeschrittener Tumorerkrankung und / oder
  • Versagen der leitliniengerechten Standardtherapie und / oder
  • fehlender Aussicht auf Erfolg durch die noch vorhandenen leitliniengerechten Therapieoptionen und / oder
  • seltener Tumorerkrankung / Histologie und / oder
  • ungewöhnlichem klinischen Verlauf und / oder
  •  Verdacht auf familiäre Krebsdisposition

Methoden

Die molekulargenetische Diagnostik erfolgt in Kooperation mit akkreditierten Labordienstleistern an Tumorgewebe und/oder Blut (sog. Liquid Biopsy):

  • Panelsequenzierung
    (definierter Satz von tumor-assoziierten Genen)
  • WholeExome / Genome Sequenzierung (WES / WGS)
    (alle protein-kodierenden Gene / gesamtes Genom)

Zielgerichtete Therapien

Im Rahmen einer molekular stratifizierten zielgerichteten Therapie („targeted therapy“) kommen u.a. zum Einsatz

  • Immuntherapien
  • monoklonale Antikörper
  • Tyrosinkinase-Inhibitoren („small molecules“)
  • Tumorvakzine