Nervenschmerzen (Neuralgien, Phantomschmerzen, Polyneuropathien)

Hintergrund
Chronische neuropathische Schmerzen, wie die schmerzhafte Polyneuropathie und die postzosterische Neuralgie, haben in der allgemeinen Bevölkerung eine Prävalenz von 6,9–10 %.

Definition
Schmerzen werden als neuropathisch definiert, wenn sie als direkte Folge einer Erkrankung oder Läsion des zentralen und/oder peripheren somatosensorischen Nervensystems entstehen.

Charakteristika neuropathischerSchmerzen
Klinisch wird der neuropathische Schmerz im Vergleich zum nozizeptiven Schmerz durch Symptome der Hyperalgesie und Allodynie für mechanische und/oder thermische Stimuli charakterisiert.

Beispiele neuropathischer Schmerzsyndrome

periphere neuropathische Schmerzen

  • schmerzhafte Polyneuropathie (zum Beispiel diabetogen, alkoholtoxisch oder durch eine Chemotherapie induziert)
  • Radikulopathie
  • traumatische Nervenläsion (N. infrapatellaris-Neuropathie nach Knie-TEP
  • Postmastektomie-, -thoraktomie- oder -herniotomie-Syndrom (auch als gemischt neuropathisch-nozizeptives Schmerzsyndrom möglich)

zentrale neuropathische Schmerzen

  • nach Schlaganfall
  • nach Rückenmarksschädigung
  • bei Multipler Sklerose

gemischte Schmerzsyndrome („mixed pain“)

  • Subgruppen von Patienten mit chronischem
  • Rückenschmerz
  • komplex regionales Schmerzsyndrom (CRPS; M. Sudeck)
  • Subgruppen von Patienten mit Tumorschmerz

Therapie

Neuropathische Schmerzen machen eine Therapie mit CoAnalgetika, Antidepressiva, Antikonvulsiva und topischen Therapeutika notwendig, weil klassische Nicht-Opioid-Analgetika nicht sicher wirksam sind. Allerdings können unter bestimmten Bedingungen auch chronische neuropathische Schmerzen mit Opioiden behandelt werden. Trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer und Antikonvulsiva vom Calciumkanal-Typ sind Mittel der ersten Wahl. Bei diesen Medikamenten beträgt die „number needed to treat“ 3,5–7,7, um eine 50-prozentige Schmerzreduktion zu erreichen. Die Therapieplanung muss Komorbiditäten, Komedikation, mögliche Nebenwirkungen und Patientenalter berücksichtigen.

Realistische Therapieziele

  • Schmerzreduktion um 30–50 %
  • Verbesserung der Schlafqualität
  • Verbesserung der Lebensqualität
  • Erhaltung der sozialen Aktivität
  • Wiedererlangen und Erhalten der Arbeitsfähigkeit

Therapieoptionen

Zu jedem Zeitpunkt kann und – wenn indiziert – soll die Pharmakotherapie mit nichtpharmakologischen Behandlungsverfahren, wie zum Beispiel Physiotherapie, Psychotherapie kombiniert werden.

Compliance der Patienten
Vor Therapiebeginn sollte der Patient über die verwendeten Substanzgruppen, potenzielle Neben- und Wechselwirkungen und über die Ein- und Aufdosierung und den verzögerten Wirkeintritt informiert werden.

Medikamente der ersten Wahl sind:

  • trizyklische Antidepressiva
  • selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Duloxetin)
  • Antikonvulsivum (Gabapentin, Pregabalin)

Opioide
Opioide können als wirksames Medikament für neuropathische Schmerzen verwendet werden, wenn andere Medikamentengruppen nicht wirksam waren oder ein schneller Wirkeintritt notwendig ist.

Therapie bei geriatrischen Patienten
Alternativ zur Einnahme von trizyklischen Antidepressiva wird die Einnahme von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern oder von Mirtazapin zur Therapie neuropathischer Schmerzen bei geriatrischen Patienten nicht empfohlen.